Genetik der Lese-Rechtschreibstörung

Erstveröffentlichung: 01.06.2006
Autoren: Johannes Schumacher, Gerd Schulte-Körne, Markus M. Nöthen

Zusammenfassung

Die Lese-Rechtschreibstörung gehört mit einer Prävalenz um 5% zu den häufigen Entwicklungsstörungen des Kindes- und Jugendalters. Bereits mit ihrer Erstbeschreibung wurde die familiäre Häufung erkannt, Zwillingsuntersuchungen konnten im Folgenden belegen, dass genetischen Dispositionsfaktoren eine entscheidende Bedeutung am Entstehungsprozess der Lese-Rechtschreibstörung zukommt. Abhängig von der untersuchten Phänotypdimension wird angenommen, dass der Anteil erblicher Faktoren bei bis zu 60% liegt. Durch Kopplungsanalysen konnten bislang neun chromosomale Regionen identifiziert werden (DYX1-DYX9), in denen Dispositionsgene vermutet werden. Darüber hinaus konnten in jüngster Vergangenheit vier Kandidatengene durch Klonierung von Translokationsbruchpunkten (DYX1C1, ROBO1) und systematische Untersuchungen auf Kopplungsungleichgewicht (DCDC2, KIAA0319) identifiziert werden. In der vorliegenden Übersichtsarbeit zur Genetik der Lese-Rechtschreibstörung werden der Stand der molekulargenetischen Forschung und die kürzlich identifizierten Kandidatengene dargestellt und deren Bedeutung am Entstehungsprozess der Lese-Rechtschreibstörung diskutiert.


Genetics of Dyslexia

Abstract

Dyslexia is one of the most common developmental disorders affecting approximately 5% of school-aged children. The familial nature of dyslexia was recognized when the disorder was first described and has since become well established. Twin studies have shown that the tendency for familial clustering is primarily due to genetic factors rather than shared environment, with heritability estimates ranging up to 0.60. In recent years, molecular genetic linkage studies have identified nine chromosomal regions (DYX1-DYX9) likely to contain genes contributing to dyslexia. These findings have recently culminated in the identification of four candidate genes for dyslexia using cloning of translocation breakpoints (DYX1C1, ROBO1) and systematic searches for linkage disequilibrium (DCDC2, KIAA0319). In the following review, we will discuss the groundwork that set the stage for the recent gene identifications and will discuss the candidate genes that have been proposed.